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Antrag / Anfrage / Rede

Haushaltsrede 2013

vom ÖDP/Bürgerforum Fraktionssprecher Holger Poczka

Die Stimmung in den diesjährigen Haushaltsberatungen erin-
nerte mich an die ersten Beratungen in 2008. Die gespielte
Dauerempörung der CSU in den Sitzungen damals war von
Angst vor den neuen Kräfteverhältnissen geprägt. Die Jahre
danach, waren dann ein bisschen besser, nachdem die Frakti-
on erkannte, dass wir vielleicht doch nicht so schlimm sind, und
unsere Beiträge ganz vernünftig und ab und an sogar kopie-
renswert sind. Die letzten Sitzungen zeigen aber, dass die alte
Angst, die Nervosität wieder zurückkehrt, denn die Wahlen wer-
fen ihre langen Schatten voraus.
Liebe Kolleginnen und Kollegen: Manchmal hatte man den Ein-
druck, dass nicht jeder in diesem Raum die Dimension dessen,
was wir hier verhandeln und diskutieren, richtig einordnet. Es
geht immerhin um einen Haushalt von 31 Mio. €. Und liebe Kol-
leginnen und Kollegen: es ist das Geld unserer Bürger, die ein
Anrecht darauf haben, dass wir uns vorbereiten und den Haus-
halt auch tatsächlich lesen, dass wir uns Zeit nehmen, uns mit
den Zahlen intensiv beschäftigen und uns Gedanken machen,
wie wir die Ressourcen möglichst sinnvoll und effektiv einset-
zen. Dann sind die Diskussionen im Gremium auch spannender
und man langweilt sich weniger und versucht nicht die anderen,
-die thematisch Vorbereiteten- ständig einzubremsen, damit
man oder frau schneller die Sitzung hinter sich bringt.
Zudem hat man das Gefühl, das die Aktivität der CSU Fraktion
sich darauf beschränkt, abzuwarten bis wir kleinen Fraktionen
wieder mal einen guten Vorschlag machen, den man reflexartig
erst mal blockieren muss, vor allem, wenn er gut ist, um ihn
dann wieder, nach einer gewissen Zeit als eigenen Vorschlag
aus der Versenkung zu holen. Auch hier gibt es Vorbilder aus
der Vergangenheit: so geschehen mit der Realschule hier in
Murnau, die wir als erste in diesem Gremium vertreten und ein-
gebracht haben (GRSitzung: 21.01.2009). Themen wie die E-
nergiewende oder die Vermarktung eines atom- und kohlefreien
Stroms haben wir auf die Agenda gesetzt und dafür erst die
Häme der CSU Fraktion kassiert. Die Bewertung einer eventu-
ellen Netzübernahme oder eine sinnvolle Verkehrspolitik wer-
den von uns, den kleinen Fraktionen in vielfältiger Weise ange-
stoßen. Die Aufstellung eines Energienutzungsplans wurde von
uns beantragt. Heute ist dieser fester Bestandteil des Haushal-
tes und wird dort mit ca. 50 Tsd € (29800Eigenmittel, 20.000.
Zuschuss Land Bayern) fortgeschrieben. Das der Schützen-
platz nun endlich nach Jahrzehnten der Diskussion angepackt
wird, haben wir letztes Jahr beantragt und wird nun umgesetzt,
weil wir über Jahre nicht locker ließen. Ein sinnvolles Konzept
gegen den Wildwuchs von Mobilfunkantennen in Murnau wurde
von uns beantragt und wird nun im Rahmen des neuen Flä-
chennutzungsplans untersucht. Ein Zukunftskonzept für die
MGV wurde von uns beantragt und wird in diesem Haushalt be-
schlossen. Liebe CSU-fraktion, seid uns dankbar, dass wir so
aufmerksam und fleißig mitarbeiten. Ihr hättet diese Gefahr ei-
ner dauerhaften finanziellen Zuwendung an die MGV über das
Treuhandkonto gar nicht erst erkannt. Das die Beseitigung
Bahnübergang Kohlgruber Straße statt 782.000€ die Murnauer
nun 1 Mio. € mehr kostet, fällt Euch gar nicht erst auf. Auch die
sonderbare Begründung, dass angekaufte Grundstücke aus der
Vergangenheit nun plötzlich eingerechnet werden, ist eine Sa-
che die man so hinnimmt.
Unser Antrag einen Fahrplan hinsichtlich der Entscheidung
Netzübernahme vorzulegen, wurde nicht nachgekommen. Es
wurde auch kein Termin genannt, wann dieser Fahrplan stehen
könnte. Wir werden hier nicht locker lassen, denn wir wollen da-
für sorgen, dass diese Entscheidung nicht verschleppt wird.
Das wird einige hier wieder nerven, so wie weiland bei der Re-
alschule. Aber der Erfolg gibt uns recht, wir dürfen nicht locker
lassen.
Sie, Herr Bürgermeister und die CSU Fraktion sehen sich gerne
auch als die disziplinierten Haushaltssanierer. Ich frage Sie: Ist
dem so?! Sicher ist, dass das letzte Drittel Ihrer Amtszeit in
wirtschaftlich prosperierende Zeiten fällt. Sicher ist auch, dass
sich in Ihrer gesamten Amtszeit an der Ausgabenseite nichts,
aber überhaupt nichts geändert hat. Die Ausgaben des Verwal-
tungshaushaltes steigen von 22,8 Mio. € in 2012 auf 25,4 Mio €
in 2013. Nur die Einnahmenseite, nämlich der Einkommens-
steueranteil und die Gewerbesteuer haben sich außergewöhn-
lich gut entwickelt, und dies nur, weil die wirtschaftliche Lage
der letzten Jahre sehr gut war, und auch unsere Bürger und
Unternehmen davon profitiert haben. Der Einkommenssteuer-
anteil liegt traditionell in Murnau sehr hoch bei 5,5 Mio bis 6,0
Mio. €. In Murnau wohnen Menschen mit einem guten Einkom-
men, wie allgemein auch bekannt ist. Wenn man dies mit einer
Gemeinde wie Peiting vergleicht, die in etwa gleich groß ist wie
Murnau, dann ist das fast ein Drittel mehr Einkommensteuerbe-
teiligung. In Peiting liegt sie bei etwa 3,8 bis 4,0 Mio €. Beson-
ders außergewöhnlich ist die Entwicklung der Gewerbesteuer in
Murnau: 2009 3,3 Mio. €, 2010: 4,4 Mio. €, 2011: 4,8 Mio. € und
2012: 13,1 Mio. €. In Peiting liegt die Gewerbesteuereinnahme
in 2012 bei 2,5 Mio. €. Die gute Einnahmesituation, meine Da-
men und Herren, ist der Grund für die gute Finanzlage Murnaus
und nicht ein Konsolidierungskurs der letzten Jahre. Die hohen
Einnahmen werden nun gleichmäßig über die Budgets verteilt,
mit der Folge, dass die Einnahmendeckung der Ausgaben im
Gesamtbudget nur noch bei 42% liegt. Dies ist aus meiner Sicht
grundsätzlich falsch und hat mit Nachhaltigkeit nichts zu tun.
2012 lag der Deckungsbeitrag der Einnahmen an den Ausga-
ben immerhin bei 52%, 2011 bei 51%.
Die Abnahme der Kreisumlage von 55,15 v. H. auf 50 v. H. hal-
te ich für einen Wahlkampfgeck, der sich sehr schnell als sol-
cher entpuppen wird, spätestens im nächsten Jahr kommt die
Stunde der Wahrheit. Denn über Nacht wurden die Schulden im
Landkreis nicht weniger, sondern wie man aus der Presse ent-
nehmen kann mehr!
Die Defizite des Treuhandkontos sind mit dem Verkauf des
Sondergebietes ausgeglichen worden. Auch hier keine Konsoli-
dierung durch Haushaltsdisziplin, sondern nur eine Notbremse
und viel Glück, dass es Unternehmen gibt, die bereit sind, hier
hohe Preise zu zahlen. Die aus meiner Sicht selbst verursachte
Not, nämlich die wenig kostenbewusste Entwicklung des Kem-
melgeländes, wurde in der Währung Zukunftspotential bezahlt.
Die Etablierung eines neuen Einkaufzentrums im Norden
schwächt den Markt. Wir sind nun im Süden und Norden von
Supermärkten und Discountern eingequetscht. Einfallsloser
kann eine Standortpolitik für das Gewerbe nicht sein.
Die gute Einnahmesituation führt nun auch nicht dazu, dass
entweder Schulden in diesem Jahr getilgt oder Gemeindesteu-
ern gesenkt werden. Das man auf die Tilgung von Schulden in
diesem Jahr verzichtet, hat natürlich auch fiskalische Gründe,
die ich durchaus akzeptiere. Sondertilgungen machen nur dann
Sinn, wenn keine Vorfälligkeitszinsen gezahlt werden müssen.
Unser Antrag zur moderaten Senkung der Gewerbesteuer je-
doch ist kein Steuergeschenk wie das Murnauer Tagblatt titelte,
sondern eine Steuererleichterung und ein zugegebener Maßen
nur kleiner Beitrag zur Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit
des Standortes. Dennoch hätte eine Absenkung einen hohen
symbolischen Wert. Und es geht hier nicht um eine neoliberale
Steuersenkungsorgie, sondern um eine sinnvolle Anpassung.
Interessant in diesem Zusammenhang ist, dass in Peiting trotz
der wesentlich schlechteren Einnahmesituation der Gewerbe-
steuerhebesatz nur bei 310 liegt.
Wir beantragten wegen der guten Finanzlage eine Absenkung
von 380 v. H. auf 360 v. H. und dies wird von der Mehrheit des
Gemeinderats abgelehnt, da sie der Meinung ist, dass dies e-
ventuell die Finanzierung der nächsten Jahre gefährden könnte.
Wenn dem so wäre, dann nur weil nicht richtig gewirtschaftet
wurde. Natürlich braucht man Geld für Alimentationsleistungen
an z. B. die Kreisentwicklungsgesellschaft, dem einzigem Pro-
jekt, dem sich die CSU scheinbar mit Haut und Haar verschrie-
ben hat und das sie aus der wirtschaftspolitischen Ideenlosig-
keit führen soll. Diese Gesellschaft soll das Allheilmittel gegen
den jahrzehntelangen Stillstand sein. Jetzt beginnt erneut die
Jagd auf Fördermittel, ohne zu reflektieren, dass für all diese
Projekte auch Eigenmittel gebraucht werden. Seit Bestehen der
KEG hat sich nichts Nennenswertes getan, obwohl schon
100tausende von Euro ausgegeben wurden. Das Budget für
diese Gesellschaft beträgt in 2013 etwas mehr als 1 Mio. €. Na-
türlich gibt es vom Freistaat Bayern eine Zuwendung für das
Projekt Regionalmanagement. Aber auch dies sind Gelder un-
serer Bürger. Und immerhin werden vom Landkreis und von
den Kommunen 750.000€ selbst getragen. Das ist eine Menge
Geld für eine Gesellschaft, die nur Ideen sammelt und Studien
beauftragt. Und dies zumeist in nichtöffentlichen Sitzungen.
Und siehe da: es spiegeln sich in dieser Gesellschaft die alten
Strukturen wider, die man eigentlich überwinden wollte, damit
wir voran kommen. Für das Tourismusmanagement sind
218.000€ eingestellt und für Projekte zur Energiewende gibt es
nur 22.000€, obwohl gerade die Investition im Bereich der E-
nergie unsere regionale Wirtschaft, v. a. das regionale Hand-
werk fördern würde. Wenn man dann auch noch nachsieht, was
mit den 22.000€ angefangen werden soll, dann sind dies The-
men wie Info-Veranstaltungen 15.000€, die CO2-neutrale Schu-
le 2.000€ und Bildung in Kindergärten 5.000€. Ideenloser geht
es nicht mehr. Aber für Projekte der Gesundheit und Soziales,
dem Lieblingsthema unseres Landrates, wird ein Budget von
178.500€ bereitgestellt, für Projekte des Gewerbes werden nur
33.200€ eingestellt. Allein über die Verteilung der Gelder kann
man erkennen, dass den Verantwortlichen noch nicht einmal
klar ist, wo wirklich die Zukunftsthemen liegen. Die ganze Ge-
sellschaft funktioniert nach dem Motto: wenn ich nicht mehr
weiter weiß, dann gründe ich einen Arbeitskreis. Sie versteht
sich nur als Ideensammler, aber nicht als Ideengeber. Wie
auch: die personelle Ausstattung spiegelt keine Erfahrung im
Regionalmanagement oder in Wirtschafts- und Energiefragen
wider. Es werden umfangreiche Studien wie in Murnau angefer-
tigt, die dann in der Schublade verschwinden. Dabei liegen die
Themen, die wirklich wichtig sind auf der Hand: Statt neue
Strukturen der Ineffizienz zu schaffen wie die KEG, sollte man
endlich das Landratsamt reformieren. Die Genehmigungspraxis
und die Verwaltungsverfahren in unserem Landkreis sind hane-
büchen. Verantwortlich dafür ist unser Landrat, aber auch die
Bürgermeister, die hier nicht schon längst für Besserung einge-
treten sind. Aber Herr Dr. Rapp, das kann ja eventuell alles
nachgeholt werden. Zukunftsthemen sind die Digitalisierung
unserer Gesellschaft, die Energiewende, die Umwelttechnik, die
Miroelektronik, die Medizintechnik, die Vernetzung mit anderen
Regionen, die Bildung. Die Frage ist, wie bekommen wir diese
Branchen dazu, in unserem Landkreis zu investieren und
hochwertige Arbeitsplätze zu schaffen. Die Wirtschaftspolitik
der CSU sieht das Heil in der Ansiedung von weiteren Super-
märkten und Discountern, denn nach Herrn Imminger, Vorsit-
zender des Beirats Gewerbes, ist die Forderung nach einem
Branchenkonzept hochnäsig. Dieser Mann verkauft es auch
noch als Erfolg, wenn er den letzten gewerblich nutzbaren m²
an Lidl verkauft hat.
Neuestes Husarenstück auf der Jagd nach Subventionen: es
soll unter dem sperrigen Titel „Genehmigung der Vereinbarung
mit der Kreisentwicklungsgesellschaft mbH, der Marktgemeinde
Mittenwald und der Gemeinde Oberammergau über den ge-
meinsamen Förderantrag zur Abmilderung der durch die Bun-
deswehrreform entstehenden Nachteile“ 154.000€ für eine Stu-
die zur Interkommunale Gewerbegebietsentwicklung im Norden
von Murnau und eine Machbarkeitsstudie für ein Gewerbe- und
Dienstleistungszentrum im Kemmelpark auf dem Grundstück
GE-Mitte 2 von der KEG durch geführt werden. Dazu soll dann
auch noch eine eigene Halbtagesstelle geschaffen werden, die
nicht förderfähig ist und von den betroffenen Kommunen getra-
gen werden soll. Man fragt sich, warum eine Studie für ein neu-
es Gewerbe- und Dienstleistungszentrum erstellt werden muss,
nachdem man die Erfahrung vor Ort schon längst konkret
macht. Und was soll eine für die beteiligten Kommunen nicht
verpflichtende Machbarkeitsstudie zur Entwicklung eines Ge-
werbegebietes Nord für 120.000€ bringen, das frühestens in 20
Jahren umgesetzt werden kann, wenn klar ist, ob die Umge-
hungsstraße in diesem Bereich verwirklicht wird. Bis dahin ist
die Studie veraltet und ich gehe jede Wette ein, dass die betei-
ligten Kommunen andere Interessen verfolgen werden und sich
an die Ergebnisse der Studie nicht mehr gebunden fühlen. Die-
ser Aktionismus und die fatale Jagd nach Fördergeldern zeigt
folgendes: Die Befürworter des Projektes scheren sich nicht um
die Sinnhaftigkeit, sondern wollen den Bürgern nur vorgaukeln:
Schaut her, wir tun was für die Region. Dabei ist es Ihnen egal,
dass dies Gelder unserer Bürger sind, mit denen wir sehr sorg-
sam umgehen sollten. Für mich sind die Fördergelder eine akti-
ve Wahlkampfhilfe aus München, denn auch dort erkennt man,
dass unsere Region schon lange abgehängt wurde von der
wirtschaftlichen Entwicklung im restlichen Oberbayern. Würden
sich unsere Bürger nicht überwiegend im Großraum München
verdingen, dann gehörten wir schon längst zum Armenhaus
Bayerns. Über den Einkommenssteueranteil halten wir uns über
Wasser.
Meine Damen und Herren, nichts für ungut. Aber Vieles, was
heute im Haushalt selbstverständlich fortgeschrieben wird, ha-
ben wir eingebracht. Wir sind der Garant dafür, dass Murnau
bei den wichtigen Zukunftsaufgaben nicht den Anschluss ver-
liert.
Nachdem wichtige Vorschläge zum Haushalt von der Verwal-
tung eingearbeitet wurden, können wir ihm zustimmen, auch
wenn aus unserer Sicht wesentliche Zukunftsthemen wie der
demographische Wandel, ein Branchenkonzept, wichtige Ver-
kehrsthemen wie Tempo 30, die Fahrrad und fußgängerfreund-
liche Kommune, Weiterentwicklung des Bildungsstandorts Mur-
nau, etc. noch nicht ausreichend im Haushalt berücksichtigt
werden. Aber vielleicht können wir im nächsten Haushalt auch
diese Themen mit einem Haken versehen. Wir dürfen halt nicht
locker lassen, das zeigt uns die Erfahrung der letzten Jahre!
Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit

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